So gelingen Ihre Marsfotos
Refraktion und Seeing besiegen
So gelingen Fotos von tiefstehenden Planeten, trotz atmosphärischer Refraktion und schlechter Luftruhe
In der Planetenfotografie hat sich die RGB-Technik mit schnellen Industriekameras mit ihren höchst lichtempfindlichen Schwarzweiß-Sensoren etabliert. Nacheinander werden Videosequenzen in den RGB-Kanälen erstellt und die Resultate zu einem Farbbild zusammengesetzt. Bei der Fotografie von niedrig stehenden Planeten kommen jedoch Schwierigkeiten auf.
Das 1. Problem: Refraktion
Die Erdatmosphäre bewirkt, dass auftreffendes Licht geringfügig seine Richtung ändert. Dies wird als atmosphärische Refraktion bezeichnet. Sie ist von der Wellenlänge abhängig und zwar umso stärker, je flacher der Einfallswinkel auf die Atmosphäre ist. Der Effekt macht sich durch Farbränder an der Ober- und Unterseite eines Planetenscheibchens bemerkbar: Das Bild des Planeten ist in den verschiedenen Lichtfarben unterschiedlich stark verschoben – im Blauen am stärksten. Dies kann zum Teil durch einfaches Zurechtrücken der Farbkanäle ausgeglichen werden.
So niedrig wie Mars dieses Jahr kulminiert, werden die Bilder der einzelnen Kanäle jedoch selbst Unschärfe aufweisen, die so einfach nicht zu beheben sein wird. In Abb. 2 ist dies grafisch für die typischen Wellenlängenbereiche eines Blau- und Rotfilters und für die im deutschen Sprachraum vorkommenden Kulminationshöhen dargestellt. Man erkennt, dass beispielsweise in Norddeutschland (14° Kulminationshöhe) das Marsscheibchen im Blaukanal über 4" und auch im Rotkanal noch um etwa 1,3" vertikal verschmiert wird.
Korrektoren für atmosphärische Refraktion
Seit wenigen Jahren existieren unter dem Kürzel ADC (Atmospheric Dispersion Corrector) auf dem Markt Korrektor-Prismen, mit denen die Folgen der Refraktion kompensiert werden können. Das Funktionsprinzip: Mit zwei gegeneinander verdrehbaren Keilprismen wird eine einstellbare Dispersion erzeugt, die der Verschiebung gerade entgegenwirkt. Die Einstellung erfolgt am einfachsten visuell, bis kein Farbsaum mehr erkennbar ist. Da sich bei den meisten Korrektoren beim Einstellen das Marsbild insgesamt verschiebt, erweist sich das kleine Gesichtsfeld einer Planetenkamera hier als hinderlich. Danach wird das Okular gegen die Kamera getauscht und es können von Refraktion unbeeinträchtigte Bilder gewonnen werden.
Das 2. Problem: Seeing
Das zweite große Problem stellt das Seeing dar. Durch Turbulenzen in der Atmosphäre wird das Planetenbild ständig verzerrt. Ist der Lichtweg durch die Atmosphäre lang, dann durchquert es mehr turbulente Luftmassen. Somit hängt das Seeing auch von der Objekthöhe ab. Langwelliges Licht, also Rot oder sogar nahes Infrarot, wird weniger stark gestört als kurzwelliges, also blaues.
Rettungsboot IR-Passfilter?
Die Wellenlängenabhängigkeit des Seeings lässt sich für die Fotografie ausnutzen. Ein oft gewählter Ansatz ist die Verwendung eines weniger beeinflussten Kanals als Luminanz. Die RGB-Daten dienen dann nur zur Färbung des Bildes. Bei schlechtem Seeing kann die Luminanz mit einem IR-Passfilter gewonnen werden, der Licht ab etwa 650nm durchlässt. Damit entsteht also ein IR-RGB-Bild. Abb. 4 zeigt ein Beispielresultat, das während der großen Mars-Opposition 2003 entstand:
Mit einer IR-Luminanz kommen bei schlechtem Seeing viele Details deutlicher zum Vorschein. Es gibt jedoch auch zwei Wermutstropfen: Zum einen ist die Auflösung des Teleskops von der Wellenlänge abhängig. Im Infraroten ist sie etwa um den Faktor 1,3 schlechter als im Grünen. Zum anderen verändert sich die Farbgebung stark. Mars ist eben nicht nur rot, für eine natürliche Wiedergabe spielen die Helligkeitswerte aller Farbkanäle eine Rolle. Während im Roten die Albedo des Marsbodens dominiert, ist der Grünkanal wichtig für Dunsterscheinungen und Staubwolken. Der Blaukanal zeigt vor allem Wolken.
Das Verfahren ist also ein Kompromiss. Bei schlechtem Seeing können aber immerhin mehr Albedo-Details dargestellt werden – wenn auch etwas gröber gezeichnet. Sind die Bedingungen nicht ganz so schlecht, bietet der Rotkanal als Luminanz einen Mittelweg.
Verkürzen der Belichtungszeiten
Bei einem schnell wabernden Planetenscheibchen kommt es auch zu Bewegungsunschärfe, wenn die Belichtungszeit zu lang ist. So kann unter Umständen ein besseres Ergebnis erzielt werden, wenn die Signalverstärkung unter Inkaufnahme stärkeren Bildrauschens hoch eingestellt wird, um auf der anderen Seite eine möglichst kurze Belichtungszeit wählen zu können.
Auch hier sollte man jedoch keine Wunder erwarten, denn es geht bei den Bildstörungen unter schlechtem Seeing nicht nur um die Bewegungsunschärfe. Das Seeing kann zwar quasi eingefroren werden, verzerrt ist das Planetenbild jedoch trotzdem. Der Erfolg hängt ganz entscheidend von der Art der Störung ab. Hochfrequentes Seeing wirkt wie eine Mattscheibe, hier hilft auch das Verkürzen der Belichtungszeit nichts. Erscheinen die Turbulenzen eher wie ruhige Wasserwellen bei ansonsten scharfem Blick, ist dieser Ansatz in Verbindung mit einem Multipoint-Alignment gewinnbringend.
Die Refraktion lässt sich gut in den Griff bekommen. Schlechtem Seeing kann in begrenztem Maße begegnet werden, wobei hier nach wie vor gilt: Ruhige Luft ist durch nichts zu ersetzen!
Autor: Mario Weigand / Lizenz: Oculum-Verlag GmbH